ab 10. September 2020 bis zum 17. Oktober 2020
stellen aus:
Juliane Döbel / Malerei und
Beate Weston-Weidemann / Malerei/Computergrafik/Keramik/Plastik
(mit freundlicher Förderung der Bürgerstiftung und der Sparkassenstiftung Unstrut-Hainich)
Nahrungssuche? Welch seltsamer Titel für eine Ausstellung mit Bildern und Keramiken. Sehen wie da etwa Eichhörnchen oder Bienen? Geht es um die Ernährung der Weltbevölkerung? Haben die Künstlerinnen Hunger?
Ja, sie haben Hunger – aber in diesem wohlsituierten Lande glücklicherweise nicht nach Essbarem – sondern nach etwas anderem. Dieses „Andere“ ist ein Bedürfnis. Man braucht es zum Leben, vielleicht zum Überleben. Als dieser Titel für die Ausstellungsreihe gefunden wurde, war die Welt noch im Gleichklang, gab es das Wort Corona noch nicht. Nun sind wir eine ganze Zeit weiter: All haben wir Erfahrungen gemacht, vor alle mit uns selbst, aber auch im Umgang mit anderen und der sogenannten Gesellschaft. Selbstverständliches ist zum Besonderen geworden, wir haben unser alltägliches Leben auf die Prüfwaage gelegt. Durch die Einschränkungen waren und sind wir fokussierter auf unsere persönliche Situation, aber auch auf die Verantwortung jedes Einzelnen auf die Geschehnisse.
Unsere Bedürfnisse werden eingeschränkt und angepasst. Und doch sind sie da. Wie Hunger.
Was KANN ich noch machen, was MUSS ich tun, was DARF ich nicht mehr?
Diese Situation kann es auch im Kleinen gegeben haben – vorher – aber sie ist der jetzigen nicht unähnlich: Gerade Künstlerinnen – verzeihen Sie mir diesen unstrittig feministischen Ausbruch – sind besonders verletzlich. Sie sind oft auch Mütter und Töchter. „Nebenbei“ noch berufstätig., verantwortungsbewusst… Und voller Ideen, Kreativität, Sehnsucht und Tatendrang, die sich aufstauen, nicht herauskönnen – weil einfach keine Zeit, kein Platz für sie da sind. Und genau das kann zu Hunger führen – emotionalem Hunger – weshalb sich diese Frauen auf eine ganz persönliche Nahrungssuche begeben. Sicherlich, ohne das Wort KARRIERE je in ihren Tagesablauf eingebaut zu haben.
Juliane Döbel ist eine dieser Frauen. In dem Geflecht von Familienverantwortungen, beruflichen Verpflichtungen und gesellschaftlichen Möglichkeiten – und vor allem der Zeit, die das alles braucht, erkämpfte sie sich schon seit langen ihre persönliche Nische. „Weiterbildungen“ hieß das Zauberwort, als sie noch Kunsterzieherin am Gymnasium war: In den Zirkeln von Otto Paetz, dann aber auch auf privatem Weg suchte sie stets die Möglichkeiten, selbst künstlerisch tätig zu sein, suchte ihre eigene Ausdrucksweise, Technik und Form. Solche Symposien waren für sie ihre persönliche Auszeit. Immer wieder sucht sie nach den Bildern, die in ihr wohnen, verfeinert ihre Techniken, lässt sich anregen durch neue Malmittel, Techniken und Inspirationen, – u.a. auch durch die Musik.
Und sie findet in diesen Freiräumen – sind sie auch noch so kurz – sich selbst. Findet ihre eigenen Farben, geht in Zufällen spazieren, erfindet und ordnet, sieht und vertieft sich auf der Bildfläche. Das sind die Momente, in denen sie ganz bei sich selbst ist. Eine kurze Auszeit vom Alltag kann so wichtig sein: Juliane malt ein Bild. Nichts weiter… aber dich eine große emotionale Nahrung für sie, die sie in dieser Intensität uns Betrachtern weitergibt.
Parallelen gibt es zu Beate Weston-Weidemann. Auch sie hatte nie die Zeit, die Kraft, die Mittel, um – wie es so schön heißt – „von der Kunst leben zu können“. Auch sie eine Frau voller Verantwortung und Verpflichtung der Familie gegenüber. Und eine Zweifachbegabung: Beate ringt nicht nur um Bilder – sondern auch um Worte. Ihre Gedanken, Gefühle und Erlebnisse bindet sie als Schriftstellerin in Worte. In Skizzen, Erzählungen und Gedichte. Scheinen ihr manchmal die Worte nicht zu reichen? Für dieses Unaussprechbare und Unbeschreibliche nutzt sie die Bildersprache. Bei allem, was sie herstellt, merkt man: Niemals geht es ihr um ein „schönes“ Bild – immer kreisen ihre intensiven Gedanken, immer ist es eine Verarbeitung des Inneren, stets eine Bewältigung der Situation. Wenn auch schlicht im handwerklichen Schaffen. Sozusagen eine Entlastung des Kopfes, der sich seine Aufgabe mit Herz, Hand und Auge wohltuend teilt.
Nahrungssuche – wir Betrachter stehen hier in einer sehr persönlichen, sehr emotionalen Ausstellung.
Vieles, was hinter den Bildern steckt, werden wir wohl nie erahnen.
Aber dafür sehen wir gestaltete Flächen, die uns vielleicht berühren an einem Punkt in uns selbst, den wir aber ebenfalls kaum beschreiben können.
Genau diese zarte Berührung. Das ist Kunst.
Leider zuletzt… wieder mal zuletzt sei das Engagement beider Frauen und Künstlerinnen genannt. Ganz gewiss stecken beide, Juliane und Beate, derzeit genau so viel Zeit ihres Alltags in die Organisation des Kunstwestthüringer e.V. Und dies zumeist ehrenamtlich. Juliane ist dabei nicht nur Geschäftsführerin – nein, jeden Tag beweist sie eine tiefe Verbindung mit Kunst und Künstlern der Region, mit der Verantwortung und den organisatorischen Verpflichtungen dem Verein gegenüber.
Und ganz zuletzt, und um den Bogen zu spannen:
Nahrung – das ist das Wichtigste, uns am Leben zu erhalten. Wir müssen dankbar sein, in einem Land leben zu können, in dem wir nicht um das tägliche Brot bangen müssen.
Emotionale Nahrung allerdings sollten wir uns suchen, um reich, vielfältig und einzigartig zugleich sein zu dürfen.
Wie Juliane und Beate
Katrin Prinich-Heutzenröder